Die Angst vor Entlassungen und der zunehmende Druck durch KI treiben die Entwickler des legendären Action-RPGs zur Gewerkschaftsbildung. In einem wegweisenden Schritt für die Gaming-Industrie haben über 450 Entwickler des Diablo-Teams bei Blizzard Entertainment für eine Gewerkschaftsgründung gestimmt. Die Abstimmung, die am 27. August 2025 abgeschlossen wurde, markiert einen historischen Moment in der anhaltenden Gewerkschaftsbewegung bei Microsoft-eigenen Gaming-Studios.
Eine überwältigende Mehrheit für kollektive Rechte
Das Team 3 von Blizzard, verantwortlich für die Entwicklung und Unterstützung der Diablo-Franchise, hat sich mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt zur Communications Workers of America (CWA) entschieden. Die neue Gewerkschaft umfasst Entwickler, Künstler, Designer, Ingenieure und Support-Mitarbeiter aus allen Bereichen der Diablo-Entwicklung und wird damit zu einer der größten „Wall-to-Wall“-Gewerkschaften bei einem Microsoft-Studio.
Die Mitarbeiter werden je nach Standort einer von drei lokalen CWA-Gewerkschaften angehören: CWA Local 9510 in Irvine, Kalifornien; CWA Local 1118 in Albany, New York; und CWA Local 6215 in Austin, Texas.
Die treibenden Kräfte hinter der Gewerkschaftsgründung
Massenentlassungen als Katalysator
Kelly Yeo, Game Producer bei Diablo und Mitglied des Organisationskomitees, brachte die Gefühle vieler Kollegen auf den Punkt: „Mit jeder weiteren Runde von Massenentlassungen habe ich die wachsende Angst bei meinen Kollegen miterlebt, weil es sich anfühlt, als ob keine noch so harte Arbeit ausreicht, um uns zu schützen.“
Diese Ängste sind keineswegs unbegründet. Microsoft hat 2025 bereits mehrere verheerende Entlassungswellen durchgeführt:
- Januar 2025: Etwa 1.900 Mitarbeiter, hauptsächlich bei Activision Blizzard
- Mai 2025: Weitere Kürzungen mit der Schließung von drei Studios
- Juli 2025: Die bisher größte Entlassungswelle mit über 9.000 betroffenen Mitarbeitern (etwa 4% der gesamten Microsoft-Belegschaft)
Die „Passion Tax“ und der Kampf um faire Arbeitsbedingungen
Nav Bhatti, Senior Software Engineer bei Blizzard und Mitglied des Organisationskomitees, sprach von der sogenannten „Passion Tax“: „Meine gesamte Karriere als Entwickler war davon geprägt, dass meine Kollegen und ich die ‚Leidenschaftssteuer‘ für die Arbeit in einer Branche zahlen, die wir lieben. Irgendwann muss man sich zwischen Kampf oder Flucht entscheiden, und die Gründung einer Gewerkschaft ist unsere Art, uns in der Branche zu behaupten.“
Konkrete Anliegen der Gewerkschaft
Die Diablo-Entwickler haben klare Ziele für ihre Verhandlungen mit Microsoft definiert:
1. Arbeitsplatzsicherheit
Die ständige Bedrohung durch Entlassungen hat eine Atmosphäre der Angst geschaffen. Ryan Littleton, Game Designer im Diablo-Team, teilte eine besonders erschütternde Erfahrung: „Am Tag nach der dritten Runde von Massenentlassungen ging ich ins Büro, und als ich versuchte, die Tür zur Cafeteria zu öffnen, wurde mein Ausweis abgelehnt.“
2. Remote-Work-Flexibilität
Die während der Pandemie eingeführte Remote-Arbeit wurde 2023 teilweise zurückgenommen, was viele Mitarbeiter vor schwierige Entscheidungen stellte. „Es gibt kein wirkliches Argument gegen Remote-Arbeit, außer dem Kontrollaspekt“, erklärte Blizzard-Produzent Ryan Claudy gegenüber Aftermath.
3. Schutz vor KI-Ersetzung
Die zunehmende Nutzung von KI-Tools bereitet besonders den Künstlern Sorgen. Kelly Yeo berichtete: „Es schleicht sich definitiv immer mehr ein. Bei der visuellen Entwicklung werfen Leute einfach Sachen in Stable Diffusion oder ähnliches, wenn sie keine Concept-Art-Unterstützung haben.“ Die wachsende Besorgnis unter den Künstlern ist verständlich: „Wird das uns ersetzen?“
4. Fairere Arbeitsbedingungen
Die Gewerkschaft kämpft gegen übermäßige Crunch-Zeiten, für bessere Löhne und mehr Transparenz in Managemententscheidungen.
Teil einer größeren Bewegung
Die Diablo-Gewerkschaft ist keineswegs ein isoliertes Phänomen, sondern Teil einer breiten Gewerkschaftsbewegung bei Blizzard und Microsoft:
Blizzard Entertainment
- Juli 2024: 500 World of Warcraft-Entwickler gründen eine Gewerkschaft
- Mai 2025: Das Overwatch 2-Team organisiert sich
- August 2025: Das Story and Franchise Development Team (160 Mitarbeiter) bildet die erste Gewerkschaft für In-House-Cinematic und Narrative in Nordamerika
- August 2025: Über 450 Diablo-Entwickler schließen sich an
Microsoft Gaming gesamt
Laut CWA haben sich mittlerweile über 3.500 Microsoft-Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert, darunter Teams bei Bethesda, ZeniMax Online Studios und Raven Software.
Microsofts neutrale Haltung
Ein entscheidender Faktor für diese Gewerkschaftswelle ist Microsofts Labor Neutrality Agreement von 2022, das im Rahmen der Übernahme von Activision Blizzard vereinbart wurde. Diese Vereinbarung verpflichtet Microsoft, Gewerkschaftsbestrebungen neutral gegenüberzustehen und keine Behinderungen durchzuführen.
Microsoft hat die Diablo-Gewerkschaft offiziell anerkannt, was den Weg für Tarifverhandlungen ebnet.
Die Zukunft der Gaming-Industrie
Die Gewerkschaftsgründung bei Diablo sendet ein starkes Signal an die gesamte Gaming-Industrie. Skye Hoefling, Senior Software Engineer II im Diablo-Team, fasste es treffend zusammen: „Ich bin mit Diablo aufgewachsen, und ich fühle mich glücklich, dass ich bei Blizzard an einem Spiel arbeiten kann, das mir und der Gaming-Community sehr viel bedeutet. Aber Leidenschaft kann uns nicht vor Arbeitsplatzunsicherheit schützen.“
Die Entwickler sind bereit, für echte Veränderungen zu kämpfen. „Dies ist nur der erste Schritt für uns, uns einer Bewegung anzuschließen, die sich über eine Branche ausbreitet, die es leid ist, in Angst zu leben. Wir sind bereit, für echte Veränderungen zu kämpfen“, erklärte Kelly Yeo.
Was bedeutet das für die Zukunft von Diablo?
Während einige befürchten könnten, dass Gewerkschaften die Entwicklung verlangsamen oder Kosten erhöhen könnten, argumentieren die Organisatoren, dass stabile Arbeitsbedingungen zu besseren Spielen führen werden. „Eine Gewerkschaft ermöglicht es uns, uns darauf zu konzentrieren, magische Erfahrungen für unsere Spieler zu schaffen, anstatt uns über die instabile Arbeitssituation in der Branche Sorgen zu machen“, betonte Skye Hoefling.
Fazit: Ein Wendepunkt für die Branche
Die Gewerkschaftsgründung bei Diablo markiert einen historischen Moment in der Gaming-Industrie. In einer Zeit, in der Massenentlassungen, KI-Bedrohungen und prekäre Arbeitsbedingungen die Branche prägen, nehmen Entwickler ihr Schicksal selbst in die Hand.
Mit über 450 Mitgliedern ist die Diablo-Gewerkschaft ein kraftvolles Statement: Die Ära, in der Gaming-Studios die Leidenschaft ihrer Mitarbeiter ausnutzen konnten, neigt sich dem Ende zu. Die Zukunft gehört fairen Arbeitsbedingungen, Transparenz und kollektiven Rechten – zum Wohl der Entwickler und letztendlich auch der Spieler, die von stabileren und motivierteren Teams profitieren werden.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob dieser Trend sich fortsetzt und ob andere Studios dem Beispiel von Blizzard folgen werden. Eines ist jedoch sicher: Die Gaming-Industrie wird nie wieder dieselbe sein.